Dienstag, 2. Juni 2009

Der Rest ist Schweigen

Die allerletzte Regieanweisung in der Partitur von Richard Strauss "Elektra" lautet Stille, dann fällt der Vorhang. Es ist etwas zu Ende gegangen. Hundert Jahre nach der Uraufführung stand das monumentale Musikdrama jetzt in zwei bemerkenswerten Repertoire-Aufführungen auf dem Spielplan der Staatsoper Unter den Linden Berlin.


Vergiss das Hackebeil nicht, wenn du zum Brunnen gehst...

In kaum einer der Elektra-Vorstellungen der letzten Jahre ist es gelungen, ein so hervorragendes Sängerinnen-Trio zu verpflichten. Mit Deborah Polaski steht für die Titelrolle eine erprobte Sängerdarstellerin zu Verfügung, die sich mit kontrollierter Emphase in die Partie wirft. Ihr gelingen auf diese Weise viele wunderbare Momente der Innerlichkeit, die sie mit einer wunderbaren Linienführung und überraschenden Piani beglaubigt. Das gleiche gilt für Anne Schwanewilms als fahrige Schwester Chrysothemis, sie steigert sich regelrecht in die Rolle hinein und gibt der Figur in ihrem ungebrochenen Lebenswillen eine existenzielle Dimension - und sie singt (!) das alles ganz großartig, mit viel Engagement, beipsielhaft! Das kann auch Jane Henschel für ihre Klytämnestra für sich in Anspruch nehmen. Mit beeindruckender Bühnenerscheinung und stimmlich in hervorragender Form macht sie die Verletzungen und die Tragik der versagenden Mutter deutlich. Auch für sie gilt: es wird gesungen - nicht, wie so oft nur deklamiert. Viele große Momente des Aufeinanderhörens, das ist selten. Stimmlich passen die drei Sängerinnen bermerkenswert gut zusammen und man kann wie auf einem Tableau drei Ausprägungen weiblicher Handlungsdynamik verfolgen und - wenn man will - verstehen. Das funktioniert durchweg so gut, dass man es kaum glauben kann und geht weit über den von der Inszenierung vorgelegten Deutungshorizont hinaus. Von dieser (vor mehr als einem Jahrzehnt von Dieter Dorn eingerichtet) bleiben nicht mehr als Arrangements, die sich dicht an der Angaben der Partitur halten. Zumindest die hektische Atmosphäre des Nachts am Hofe zeigt sich durch die kurzen und zügigen Auftritte der Nebenfiguren immer noch sehr eindrücklich. Aus dem Ensemble müssen Hanno Müller-Brachmann (Orest) und Rainer Goldberg (Aegisth) genannt werden, beide hier mit "großen" kleinen Auftritten - wie gewohnt auf den Punkt präzise und mit hervorragender Stimmkultur. Zusammengehalten wird das Geschehen aber durch die Staatskapelle Berlin im Orchestergraben unter der Leitung von Michael Boder. Dessen kluges und zugreifendes Dirigat bescherte einen großen Opernabend, der ein richtiges Erlebnis wird, welches eine Weile vorhalten muss, denn in der kommenden Saison planen weder die Staatsoper, noch die Deutsche Oper eine Elektra-Vorstellung. Warum eigentlich?

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