Es ist ein reichliches Jahr her, dass Peter Mussbach die Staatsoper Unter den Linden verlassen musste, im kurzlebigen Berliner Kulturbetrieb eine sehr lange Zeit. Jetzt steht noch einmal für drei Vorstellungen die von ihm getextete und auf den Spielplan gesetzte Oper Hölderlin auf dem Programm, die Regie hatte er schon nicht mehr übernehmen können. Am Dirigentenpult steht aber immer noch der Komponist Peter Ruzicka.
Als Komponist hält er das Ganze auch recht gut zusammen, es gilt neben 13 Solisten auch diverse in die Seitenlogen ausgelagerte Schlaggruppen und den mit in Orchestergraben hineingezwängten Chor zu koordinieren. Musikalisch geht es allerdings über die zwei schnell lang werdenden Stunden einfach nur so dahin, Ruzicka arrangiert üppige Klangmassen, setzt wunderbar süffige Streicherpartien ab, aber eine Logik, etwas Zwingendes bekommt das nicht. Man steigt mit hoher Amplitude ein und ist dann kaum noch zu Steigerungen fähig, alles bleibt irgendwie moderat. Auch das Libretto schafft es nicht, dem Geschehen Struktur zu verleihen, im Gegenteil. Das Ganze hat mit dem Dichter Hölderlin herzlich wenig zu tun, dessen poetische Sprachmächtigkeit, dessen zweifelnde Souveränität bleiben vollkommen ausgeblendet. Vielmehr legt es Mussbach auf eine private Bestandsaufnahme einer im Untergang befindlichen Menschheit an, mit starker Tendenz zu lyrischen Erlösungsfantasien. Das wirkt stellenweise regelrecht pubertär und verbleibt dann auch über weite Strecken im Kunstgewerblichen. Hier hat sich jemand heftig im selbsterrichteten Gebäude verirrt, schade!
All diese Defizite kennend entschließt sich der kurzfristig einspringende Regisseur Torsten Fischer zu einer Radikalkur und konstruiert einen Handlungsablauf in einem posttraumatischen Vorstadt-Nirwana, der mit der Oper an sich kaum etwas zu tun hat. Die achtziger Jahre schauen aus allen Ecken, es passt dann unfreiwillig auch wieder zur Musik. Das geschieht nicht ohne eine gewisse Schlüssigkeit und es entstehen einige schön arrangierte Bilder, denen es aber zusehends schwer fällt einen Bezug zu Inhalt oder Musik herzustellen. Der Aktionismus ist atemberaubend, macht aber die inhaltliche Leere nur noch viel deutlicher. Nichts passt hier zusammen, alles bleibt Stückwerk, es entsteht keine produktive Spannung zwischen Szene und Musik. Die Kostüme, die permanente Feuchtigkeit und die düstere Grundstimmung lassen einen immer an England im frühen 19. Jahrhundert denken - man wähnt sich in einer Oper zu Edgar Allen Poe und nicht zu Friedrich Hölderlin. Dreizehen anonyme Sängerfiguren werde durch ebensoviele Schauspieler gedoubelt, die teilweise enorme Probleme haben, sich verbal und darstellerisch in dieser Überinszenierung durchzusetzen, selbst wenn sie chorisch agieren. Den Löwenanteil des Textes spricht Markus Gertken, das macht er souverän, wenn auch unbeteiligt. Dietrich Henschel schlägt sich wacker und mit viel Körpereinsatz, aber es kann auch ihm nicht gelingen die Fäden schlüssig zusammen zu binden. Der Rest des Ensembles wirkt routiniert bis engagiert.
Die Wiederaufnahmevorstellung an einem Freitagabend war sehr schlecht besucht. Es bleibt die Frage, ob die Staatsoper wirklich gut beraten war, diese Inszenierung zum Saisonende noch ein mal wiederaufzunehmen. Der Aufwand muss enorm gewesen sein. Man sollte am Haus doch inzwischen wissen, dass es in Berlin unmöglich ist, für solch ein Werk abseits der Premiere die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist für jede zeitgenössische Oper schwer, selbst wenn sie mehr geglückt wäre als diese hier.
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