Sonntag, 10. Juli 2011

Letzter Vorhang für Kirsten Harms


Am Ende hatten sie alle lieb, doch das kam zu spät. Intendantin Kirsten Harms verlässt die Deutsche Oper Berlin, obwohl sie hätte bleiben können. Die letzte Vorstellung war gestern abend der von ihr inszenierte Tannhäuser. Vor sieben Jahren übernahme Harms eine der wohl schwierigsten Positionen im deutschen Kunstbetrieb. Die Deutsche Oper, einst kulturelles Flaggschiff Westberlins, trieb orientierungslos dahin. Die Politik glaubte mit der Gründung der Opernstiftung ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Dem war nicht so, die insbesondere im Vergleich zur kleineren Staatsoper Unter den Linden eklatante Unterfinanzierung des Hauses konnte bis heute nicht abgestellt werden. Unter diesen Umständen ist es wirklich erstaunlich, was Kirsten Harms in der kurze Zeitspanne gelungen ist, nämlich nichts weniger als die vollkommene Neupositionierung des Hauses an der Bismarckstraße. Ihr Konzept hieß Große Oper, genau für solche Werke ist das Haus einmal gebaut worden. Nicht alles ist dabei gelungen. (Geschenkt, wenn man bedenkt, was für Gurken die beiden anderen Berliner Opern im Vergleichszeitraum herausgebracht haben!) Aber das Publikum hat den Weg akzeptiert und Harms Konzept mit stetig zunehmendem Interesse mitgetragen. Nicht zuletzt der Fundus der über 80 Repertoirewerke, die teilweise hervorragend gepflegt in den Spielplan kamen, sorgte für großen Zuspruch. Skeptisch bis zuletzt bleib die Presse, in seltener Einheit die regionale und die überregionale Fraktion. (Ungute Erinnerungen weckt in diesem Zusammenhang, was als Idomeneo-Skandal in die Geschichte eingehen sollte und nichts weiter war, als ein verkappter Macho-Reflex der Journaille.) Die Intendantin Harms hat das genauso souverän überstanden, wie personelle Fehlentscheidungen (Renato Palumbo, Alexander von Pfeil), Absagen wichtiger Regisseure (Katharina Wagner, Jürgen Gosch) und kurzfristige Finanzierungslücken. Auf der Habenseite stehen eine ganze Reihe gelungener und erfolgreicher Produktionen, als Beispiele seine hier nur Jeanne d'Arc, Die ägyptische Helena, Ariadne auf Naxos, Othello und Samson und Dalila genannt. Man kann es eben nicht allen recht machen und irgendwann muss man sich entscheiden, für wen man das alles macht. Ein Haus mit 1800 Plätzen will gefüllt sein, gerade in einer Stadt wie Berlin, die sich für so kulturell hält und das vielleicht gar nicht ist. Harms besonderes Interesse galt den Ausgrabungen unbekannt gebliebener Werke des letzten Jahrhunderts. Dafür ist viel kritisiert worden, auch das zu Unrecht, weil die Rehabilitation einiger wichtiger Kapitel unserer Musikgeschichte noch aussteht. Das ist keine akademische, sondern eine künstlerische Aufgabe. Der verschreibt sich jetzt interessanterweise auch die Dresdner Intendantin Ulrike Hessler, die andere Frau an der Spitze eines großen Opernhauses.

2 Kommentare:

  1. Katharina Wagner als wichtige Regisseurin zu bezeichnen ist mindestens delikat. Sie aber in einem Atemzug mit einer Legende, Jürgen Gosch, zu nennen ist schon mehr als frivol.

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  2. Nur der Ordnung halbre: Othello als Oper ist immer Otello, ohne H., da von Verdi.

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