In der Zeit knapper Ressourcen und überhandnehmender Koproduktionen ist der internationale Austausch von Opernproduktionen Alltag. Wenn eine Aufführung nach ihrer Premiere bei den Salzburger Festspielen aber ins Repertoire der Wiener Staatsoper rückt und von dort aus weiter nach Amsterdam, Barcelona und San Francisco geht, dann kann man von einem wirklichen internationalen Erfolg sprechen. Und der Siegeszug der Inszenierung geht weiter: In Covent Garden ist die aktuelle Serie gerade abgespielt, die Opéra de Paris kündigt für den Herbst die Premiere an. Warum das so ist, konnte man bei der in jeder Hinsicht beeindruckenden Wiederaufnahme am Samstag in Wien erleben.
Erst 23 Jahre als war der Komponist Erich Wolfgang Korngold - beim Libretto griff ihm (unter Pseudonym) der prominente Vater Julius unter die Arme. Sein Jugendwerk "Die tote Stadt" von 1920 gilt als Geniestreich und kehrt nach jahrzehntelanger Abwesenheit inzwischen in des Repertoire auch der ganz großen Opernhäuser zurück. Die beiden Hauptpartien stellen wegen ihres Umfangs und wegen ihrer Schwierigkeiten hohe Anforderungen an ihre Sänger. Mit Angela Denoke als Marie/Marietta und Klaus Florian Vogt als Paul steht jetzt in Wien ein kongeniales Protagonistenpaar zur Verfügung. Beide befinden sich in stimmlicher Höchstform und sind mit einer Ernsthaftigkeit beim darstellerischen Ausloten der Figuren am Werke, dass man gar nicht mehr wegschauen kann. Da wird über zweieinhalb Stunden wirklich spannendes Theater gespielt (welches die sonst im Haus so übliche Rampensingerei vollkommen vergessen lässt). Denoke mit ihrer kontrollierten und kühlen Erotik ist eine Idealbesetzung für die Doppelrolle. Vogt kommt mit seinem noch immer jugendlich klingenden Tenor ungefährdet durch seine sehr hoch angelegte Partie und zeigt die Studie eines zerrissenen, fragenden, handlungsunfähigen jungen Mannes. Ebenfalls mit großem Engagement und viel Stimmglanz im Einsatz Elisabeth Kulmann und Markus Eiche, sowie die fünf Sänger aus Mariettas Komödiantentruppe. Das unter Philippe Auguin souverän aufspielende Orchester der Wiener Staatsoper bringt den Zauber und die Schönheit der spätromantischen Musik Korngolds kraftvoll und präzise zur Geltung. Willy Deckers Inszenierung im wandlungsfähigen Bühnenraum von Wolfgang Gussmann verlegt die "Tote Stadt" aus dem flämischen Brügge, wo die symbolistische Vorlage von Georges Rodenbach spielt, in das Innere Pauls. Das ist über den ganzen Abend stichhaltig und geradezu erschreckend schlüssig gearbeitet. Ein großer Opernabend, der sehr viel mehr ist, als nur die Summe seiner Teile: Opernglück an der Wiener Staatsoper. Es geht doch!
Ausschnitte aus der Produktion in San Francisco (Emily Magee, Torsten Kerl)
Wann und wo ist diese Aufführung wieder zu sehen? Kann jemand helfen?
AntwortenLöschenDie nächsten Vorstellungen der Willy-Decker-Inszenierung von DIE TOTE STADT sind im Juni 2010 in Madrid geplant. Pinchas Steinberg dirigiert und es singen Catherine Naglestad und Klaus Florian Vogt. In Paris gab es im Herbst auch eine Vorstellungsserie mit Ricarda Merbeth und Robert Dean Smith, die aber leider bereits abgespielt ist.
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