Auch wenn sich im deutschsprachigen Raum der Titel "Jenufa" eingebürgert hat gab Leos Janácek seiner Oper im Orginal den Titel "Její pastorkyňa - Ihre Ziehtochter" - spielt doch die Küsterin, die Stiefmutter Jenufas, nicht nur eine heimliche Hauptrolle. An der Wiener Staatsoper wird diese seit vielen Jahren von Agnes Baltsa im wahrsten Sinn des Wortes verkörpert, so auch bei der Wiederaufnahme der gelungenen Inszenierung von David Pountney.
Das Bühnenbild beeindruckt durch drei große Bilder - hier im ersten Akt die Mühle mit dem übergroßen die ganze Bühne umfassenden Mahlwerk.
Auch nach acht Jahren ist diese Inszenierung noch ein Ereignis - zum Sehen und zum Hören. Schlüssig und engagiert entwickelt sie die tragische Handlung ohne dabei in folkloristischen Kitsch oder falschem Aktionismus zu verfallen. Manches hat man präziser in Erinnerung, aber die Wiederaufnahme wirkt sehr gut einstudiert. Graeme Jenkins Dirigat vereint kapellmeisterliche Tugenden alter Schule, er koordiniert präzise das Geschehen auf der Bühne und im Graben und bringt sowohl die Klangschönheit, gelegentlich an Puccini erinnernd, wie auch die Schroffheit der Partitur zu Geltung. Den Sängern ist er ein verlässlicher Zeichengeber. Allen voran Ricarda Merbeth, deren höhenstarker Sopran sehr schön zur Geltung kommt. Vielleicht etwas zu beseelt und mit einer zu starken Betonung der leidenden Seiten singt sie eine kraftvolle Jenufa. Agnes Baltsa, nach wie vor eine Sängerdarstellerin von großem Format, liefert eine Küsterin wie in Stein gemeiselt. Ihre herausfordernde Präsenz beeindruckt, berührt auch in manchen Momenten, insbesondere im zweiten Akt. Sie weiß, dass der Applaus auch ihrem Lebenswerk gilt und nicht nur der stimmlichen Leistung, denn die ist an einigen Stellen dann doch fragwürdig. Janina Baechle ist eine sehr souveräne aber doch gebremst agierende Alte Burya - ihre Präsenz reicht nicht an die von Anny Schlemm zur Premiere heran. Vielleicht wäre im Moment sogar die Küsterin die für sie die passendere Rolle, die stimmlichen Voraussetzungen dafür hat sie auf jeden Fall. Es ist ein Abend der Frauen, die beiden Männer Stewa und Laca sind mit Marian Talaba und Jorma Silvasti solide besetzt. Mit ein paar Unsicherheiten im ersten Teil agierte der Chor der Wiener Staatsoper.
Eine lebende Legende: Agnes Baltsa, einer DER Mezzos unserer Zeit, ist seit der Premiere im Jahre 2002 in Wien als Küsterin zu erleben. Nicht zuletzt ihr ist der andauernde Erfolg dieser Inszenierung zu vedanken.
Die "Jenufa" ist ein Meisterwerk und gehört mit ihrer musikalischen Opulenz, mit ihrer erzählerischen Stärke und nicht zuletzt wegen ihrer dramaturgischen Konsequenz zu den wichtigsten Opern des 20. Jahrhunderts. Wie auch die anderen Werke des Komponisten braucht sie die große Bühne, große Stimmen und eine zugreifende musikalische und szenische Deutung. Es ist erfreulich, dass sich diese Inszenierung, bei der all das zusammen kommt, schon seit acht Jahren auf dem Spielplan der Wiener Staatsoper behaupten kann. Fragwürdig bleibt aber immer wieder die Entscheidung das Werk - als einzige Ausnahme im Repertoire - nicht in Orginalsprache, sondern auf Deutsch zu singen. Die Sprachmelodie des Tschechischen ist eine der Grundlagen von Janáceks Kompostionsstil, viele Details erschließen sich erst über den Orginaltext. Außerdem war die Sprachverständlichkeit wirklich mangelhaft. Die Diskussion des Themas Orginalsprache wird wohl nie endgütlig abgeschlossen sein, die in diesem Fall getroffene Entscheidung ist aber auf jeden Fall zu befragen.
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