Freitag, 20. März 2009

Kälter als der Komponist erlaubt

Mit keinem Werk verbindet sich die Vorstellung was Russland und die russische Oper im 19. Jahrhundert ausmacht intensiver, als mit Tschaikowskis "Eugen Onegin". An der Wiener Staatsoper kam jetzt eine Neuinszenierung von Falk Richter heraus, die leider nicht zeigt, wie nahe uns das Ganze ist.


Da war doch was! Aber was?

Alles ist eingefroren in dieser Aufführung, die Menschen, die Ausstattung und sogar die Musik. Im Hintergrund schneit es unentwegt, die Dekoration besteht aus Eisquadern verschiedener Größe und Simon Keenlyside singt und spielt einen Onegin der nur schwer entflammbar ist, weder bei der ersten Begegnung mit Tatjana auf dem Landgut noch bei der zweiten nach seiner Rückkehr einige Jahre später in St. Petersburg. Auch sein Tanz mit Olga, in dessen Folge er immerhin seinen Freund Lenski beim Duell tötet, bleibt merkwürdig unterkühlt. Um so tiefer dann seine Erschütterung, als er den toten Freund in den Armen hält. Keenlyside gelingen im Laufe des Abends viele solcher Momente und er singt einen beeindruckend geradlinigen Onegin, ohne aufzutrumpfen und ohne Arroganz im ersten und ohne Lamoryanz im zweiten Teil. Ramon Vargas als Lenski weiß mit tadelloser Stimmführung zu beeindrucken, aber ein wirklich berührende Figur spielt er nicht, andere Sänger machen da viel mehr aus dieser Partie. Das gleiche muss für Tamar Iveri als Tatjana gesagt werden. Die emotionalen Momente bleiben Behauptung, ihr Spiel fällt schnell ins Äußerliche. Auch stimmlich ist die georgische Sopranistin ist sicher keine ideale Tatjana, sie schafft es kaum zwischen dem jungen, verliebten Mädchen und der älteren, sich in ihr Schicksal fügenden Frau, zu differenzieren. Genau wie für Vargas scheint auch für sie die Rampe eine magnetische Anziehungskraft zu haben, denn dort finden sich beide meist ein, wenn sie wichtige Dinge zu singen haben.


Das Ende einer Freundschaft.

Entgegen der Rollenkonvention sehr jung besetzt jst Ain Anger als Fürst Gremin, die Inszenierung geht darauf aber überhaupt nicht ein. Auch Nadia Krasteva als Olga mit schönem dunklen Mezzo und etwas zu viel Freude an der Bewegung wirkt am besten für sich allein, als wenn sie mit dem Rest der Inszenierung verknüpft ist. Man glaubt es kaum, dass man hier die komplette Premierenbesetzung sieht, so wenig konsistent wirkt das gesamte Bühnengeschehen. Auch interpretatorisch ist diese Inszenierung merkwürdig eindimensional. Wenn Onegin Tatjana als etablierte Geschäftsfrau wieder trifft ist sie auf einmal sein Typ? Die inneren Veränderungen der Figuren bleiben unbeleuchtet. Es überrascht, dass sich ein Regisseur mit so reicher Schauspielerfahrung wie Falk Richter sich mit einer so wenig komplexen Sicht auf die einzelnen Charaktere zufrieden gibt. Die große offene Bühne ist akustisch problematisch, das Ausstattungskonzept wirkt zufällig. Der permanente Schneefall im Hintergrund ermüdet die Augen schon nach wenigen Minuten. Man hat verstanden und wartet auf eine neue Erkenntnis, die sich nie einstellt.


Russische Party ohne Wodka, aber mit viel Eis.

Die große Enttäuschung des Abends ist das Dirigat von Seiji Ozawa. Er verzichtet auf jedes russische Sentiment, alles bleibt kalt und trocken. Außerdem setzt er das Orchester auf eine unverständliche Weise in Konkurrenz zu den Sängern auf der Bühne, die es schwer haben, diesen Ausbrüchen in jedem Fall zu folgen. Eigentlich müsste der Dirigent im Graben den Vulkan ankochen, der dann auf der Bühne zum Ausbruch kommt, statt dessen lärmt es viel zu oft und an den ganz falschen Stellen. Musikalisch ein unterdurchschnittlicher Abend, welcher an einem Haus wie der Wiener Staatsoper nicht vorkommen dürfte.


Nicht nur der Kenner sieht: Das geht nicht gut aus!

Tschaikowski bezeichnete den "Eugen Onegin" mit gutem Grund als "Lyrische Szenen" und nicht als "Oper". Eine Inszenierung, die mehr können soll als Personen in Bildern zu arrangieren braucht eine starke erzählerische Klammer, welche die einzelnen Szenen zusammen hält. Andere Inszenierungen der letzten Zeit in München und Berlin sind diesen Weg gegangen, mit unterschiedlichem Erfolg. Unterschätzen darf man das Werk aber keinesfalls und man muss genau hinhören, denn eigentlich ist ja auch in diesem Fall alles schon komponiert!

Wiener Staatsoper, besuchte Vorstellung: 19. März 2009

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