Dienstag, 2. März 2010

Ein Sumpf zieht am Gebirge hin


Nur schwer lässt sich für Robert Schumanns selten aufgeführte Szenen aus Goethes "Faust" ein Gattungsbegriff finden. Von der Anlage ein Oratorium, in der jüngsten Umsetzung in der Berliner Philharmonie unter der Leitung von Ingo Metzmacher auf jeden Fall ein große Oper, wenn nicht gar eine "Große Meyerbeersche Oper". Vielleicht sollte man das Werk einfach nur spielen! Insbesondere dann wenn man so hervorragende Voraussetzungen hat, wie bei diesen Aufführungen: Phänomenal disponiert ist die Solistenriege, mit Mojca Erdmann, Camilla Nylund, Gerorg Zeppenfeld und Werner Güra wurden führende, noch junge Vertreter ihres Fachs aufgeboten. Heraus ragte da natürlich noch Christian Gerhaer als Faust, der mit leidenschaftlicher Interpretation und vollkommener Stimmkultur jede Phrase zum Genuss machte. Höchste Dramatik wechselt mit hingebungsvoller Innerlichkeit. Sängerisch schon ein ganz großer Abend, wann kann man auch sonst gleich eine Handvoll der interessantesten Sänger einer Generation gemeinsam in einer Aufführung zu erleben? Das Deutsche Symphonie Orchester Berlin folgt seinem Dirigenten genau, mitunter vielleicht zu genau, es fehlen dann doch ab und zu ein paar Momente der Entgrenzung, das ganz große orchestrale Leuchten will sich nicht einstellen. Voluminös und klar klingt der Rundfunkchor Berlin, aber zum Ereignis wird der fulminante Auftritt der Knaben des Staats- und Domchors Berlin. Nach einem so zügig-frechen Auftritt so wunderbar zu singen, das geht wohl nur in dieser Stadt! Die vorsichtigen szenischen Akzentuierungen die Metzmacher vornimmt (und die sich in diesem Rahmen auf eine Inszenierung der Auf- und Abtritte beschränken müssen) machen Lust auf mehr. Dem Werk wird vieles vorgeworfen, von der eindimensionalen Orchestrierung bis zur gestückelten Dramaturgie, aber es handelt sich auf jeden Fall um eine der gelungensten Umsetzungen des Faust-Stoffes. Angesichts der bemerkenswert geschlossenen und im Großen, wie im Kleinen wirkungsvollen Aufführung in Berlin bleibt deshalb nur der dingende Rat an alle Opernintendanten, diesen Robert Schumann auch szenisch auf die Bühne zu holen!

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