Samstag, 16. Januar 2010

Germania nostra

Es gab großen Jubel insbesondere von den höheren Rängen bei der jüngst im Münchner Nationaltheater zu erlebenden Wiederaufnahme von Richard Wagners Tannhäuser, bereits nach den ersten beiden Akten und ganz besonders am Schluss. Nicht ganz zu Recht! Nach den vielen mehr oder weniger misslungenen Neuproduktionen der Ära Bachler hält sich der geneigte Stammbesucher nun also ans Repertoire, was bleibt ihm auch anderes übrig? Die Inszenierung von David Alden stand am Anfang der Intendanz von Sir Peter Jonas und konnte damals vor mehr als 15 Jahren sicher noch polarisieren und provozieren. Heute wirkt das Konzept, Tannhäuser als unverstandener, mit sich selbst uneiniger, intellektueller Künstler seltsam eindimensional und herbei geholt. Das kritische Potential der Inszenierung erschöpft sich im Zurschaustellen von ein paar nazideutschen Versatzstücken und einem übergroßen "Germania nostra" - Schriftzug auf der Bühnenrückwand. Der Rest ist symbolschwangeres Bildertheater aus dem Geist der achtziger Jahre.

Wahrscheinlich würde heute niemand mehr auf die Idee kommen, beim Tannhäuser auf eine eher psychologische Herangehensweise zu verzichten und die Geschichte aus den Figuren zu entwickeln. So ändern sich die Zeiten. Kent Nagano dirigiert nicht das erste Mal Wagner an der Staatsoper und wieder muss man sagen, es gelingt ihm nicht so richtig. Alles ist sehr durchhörbar und licht, aber der große Wurf, der konzeptionelle Durchgriff fehlt beinahe vollkommen. Man hört hin, aber es bewegt einen nicht. Unmotivierte Tempiwechsel tun ein übriges für den disperaten Gesamteindruck: Zerdehnte Passagen wechseln mit auftrumpfenden bei denen die Sänger schon mal in Bedrängnis kommen. Auch da gibt es große Unterschiede: John Treleaven macht was alle Sänger in dieser Mörderpartie tun, er spart sich viel, vielleicht zu viel, für den dritten Akt auf und ihm gelingen dann ein paar sehr schöne Momente. Trotz spielerischer Prägnanz, die wirklich erfreut, ist das aber zu wenig. (Aber welcher Sänger ist im Moment ein rollendeckender Tannhäuser? Premierenbesetzung in dieser Inszenierung war übrigens René Kollo!) Als Wolfram von Eschenbach kann Michael Volle mit vorzüglicher Sprachbehandlung und präziser musikalischer Gestaltung überzeugen, zu Recht erfährt er die meiste Zustimmung des Publikums. Sein kerniger Bariton scheint reif für größere Aufgaben.

Ebenso beeindruckend Waltraud Meier als alterslose verführerische Venus. Fast schon ein kleines Comeback, sie war seit dem Amtsantritt Bachlers nicht in der Staatsoper aufgetreten, spielt sie ihre all ihre Präsenz und Raffinesse wunderbar stimmig aus und bringt ihre umfangreiche musikalische und darstellerische Kapazität erneut in glückliche Übereinstimmung. Was für eine Sängerin! Auch Petra-Maria Schnitzer überzeugt als Elisabeth mit schönen vollen und runden Tönen, allerdings könnte man sich die ihre Auftrittsarie Dich teure Halle fulminanter und das Gebet innerlicher vorstellen. Von der Inszenierung wird sie ziemlich alleingelassen. Als langgedienter Landgraf ist Matti Salminen der Routinier mit großer Statur und ebensolcher Stimme, Akzente zu setzen gelingt ihm aber kaum noch. Fazit: Ein guter, aber kein großer Wagner-Abend!

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