Sonntag, 17. Januar 2010

Als wärs von Schiller


Das Repertoire blüht an der Bayerischen Staatsoper in München: Guiseppe Verdis großes Opernmonument Don Carlos bewegt und berauscht wie so oft mit außerordentlichen musikalischen Leistungen. Im Laufe des Abends entsteht ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Allen voran Publikumsliebling Anja Harteros als Elisabeth von Valois mit traumhaft klaren Pianopassagen und einem sich in lichte Höhen hinaufschwingenden Sopran. Hierzulande ist sie im Moment ohne Konkurrenz in ihrem Fach. Intensiv gerät die erste Begegnung mit dem energetischen Carlos, dem Yonghoon Lee kraftvolle Spitzentöne mitgibt. Der junge Sänger fängt stark an und lässt über den langen Abend nicht nach, ein Carlos nicht nur im Verdischen sondern auch im Schillerschen Sinn. Respekt für ein gelungenes Debüt! Ebenso gelungen der Rodrigo des Briten Simon Keenlyside, er beeindruckt mit nobler, präziser Stimmführung und einer plausiblen heutigen Figurenzeichnung. Selten wird diese schwierige Rolle so umfassend bewältigt. Schön anzusehen ist auch die unpathetisch interpretierte Zweiergeschichte von Carlos und Posa. Bei Matti Salminen als Philipp II. bleiben ein paar Wünsche offen, eine große Sängerpersönlichkeit ist er auf jeden Fall noch immer, die Figur bleibt aber im Statuarischen und das stimmliche Differenzierungsvermögen lässt spürbar nach. Verpasst hier wieder mal ein großer Künstler ein würdiges Karriereende? Im Orchestergraben herrscht italienische Spannung, große Bögen wechseln mit raffinierten Details, ein Verdienst des erwiesenen Verdi-Spezialisten Marco Armiliato, der sich zielsicher und ausgewogen zwischen heller Durchhörbarkeit und düsterem Geheimnis bewegt. Die szenischen Einrichtung von Jürgen Rose ist zu ästhetisch, um als Mummenschanz zu gelten, will aber auch nicht mehr, als die Geschichte mit einer religiösen Grundierung zu erzählen. Ein bisschen mehr Psychologie würde der Stoff sicher vertragen und eine richtige Konzeption könnte durchaus treffsicher ins Heute zielen. So verbleiben schöne Kostüme und spannende Arrangements mit dem Hang zur Beliebigkeit, welche aber die Musik nicht stören, im Gegenteil. Das ist doch auch was!

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