Samstag, 7. November 2009

Tod im Kochstudio

Es gehörte zu den mit Staunen aufgenommenen Ankündigungen des neuen Intendanten der Bayerischen Staatsoper Nikolaus Bachler zu seinem Amtsantritt vor einem reichlichen Jahr, dass er am Haus jetzt Schauspiel betreiben wolle. Er setzt das um, indem er zwar im Schauspiel erfolgreiche Regisseure, die aber im Musiktheater noch keine Erfahrungen haben, mit Neuinszenierungen betraut. Der Letzte im Reigen der Debütanten war Stephen Kimmig, ihm hat Bachler Mozarts DON GIOVANNI anvertraut.



Um es vorwegzunehmen, die Sache ging gründlich schief. Kimmig macht neben vielen anderen den Kardinalfehler, dass er versucht aus der Musik Stimmungen und Bilder zu extrahieren und auf der Bühne abzubilden. Das doppelt im besten Falle, ist aber zumeist hilflos oder gar einfältig, denn die Bilderwelt die der Regisseur von seiner Ehefrau und Bühnenbildnerin Katja Hass erfinden lässt, kann der komplexen Bilder- und Ideenwelt der Oper natürlich nicht gerecht werden. Hier gehört nichts zusammen und es passt auch nichts. Eine sich stupide drehende Containerwelt, die ab und zu den Blick auf ein Kulisse gewordenes Vorurteil frei gibt. Alles ohne innere Bezüglichkeit, im Detail merkt man die Führung der Personen, vom Entwuf her ist es Rampentheater mit einer Drehbühne. Nur selten nimmt das Geschehen auf der Bühne die Dynamik der Musik auf. So geht Oper nicht!



So geht aber auch Mozart nicht. Was Kent Nagano da vorlegt, hat mit einer Interpretaion von Don Giovanni nicht viel zu tun. Keine Linie, keine Idee, kein Sinn für die dunklen Seiten der Musik, die filigranen Tempoabstufungen. Alles ist schön durchhörbar, aber es bleibt nichts zurück. Ganz flau der Einstieg in die Ouvertüre und sehr viel besser wird es dann im Laufe des Abends nicht mehr. Wirklich gemischt sind auch die Sängerleistungen. Besser als mit Mariusz Kwiechien kann man die Titelrolle wohl nicht besetzen, wenn es einen Bariton gibt, der auch einen reflektierten Don Giovanni spielen kann, dann er. Doch statt dessen wird tief und witzlos ins Sterotypen-Kästchen gegriffen. Das brandschatzende Macho-Tier mit südosteuropäischem Einschlag, dem es eigentlich um Titten geht und um nichts anderes. Auf der anderen Seite billige Weiblichkeit und denunzierende Alltags-Versatzstücke. Von einer Rezeptionsgeschichte, welche die Figur Don Giovanni schon seit Jahrzehnten in ihrer Gesamtheit und so auch als Opfer seiner selbst auslotet weiß die Inszenieurng gar nichts. Deswegen hat die Aufführung auch so überhaupt nichts mit uns heute zu tun, auch wenn sie sie das pausenlos behaupten will.



Dennoch überzeugt Kwiechien mit einer grandiosen stimmlichen Leistung, selten hat man die Rolle so ausgewogen gesungen gehört. An seiner Seite Alex Esposito als Leporello, beide sind in der Kombination schon in diversen Produktionen aufgetreten, er macht seine Sache gut und präszise. Vom Publikum nicht ganz zurecht am meisten gefeiert wurde Pavol Breslik als Don Ottavio, er singt schön und beseelt, dass er sich in das Konzept der Figur nicht hinein findet, wen wundert es? Bei den Frauen gibt es ein Grundproblem: Donna Anna und Donna Elvira sind stimmlich einfach zu leicht besetzt (und Zerlina zu schwer). So kommt auch hier nichts so richtig zusammen. Elli Dehn schafft es nicht die emotionale Bandbreite der Donna Anna über die Rampe zu bringen und auch Maija Kovalevska tut sich mit ihrer Donna Elvira schwer. Und Zerlina (Laura Tatulescu) ist musikalisch eigentlich sehr viel weniger explizit erotisch unterwegs als sie das hier tun muss. Eine der vielen Ungereimtheiten der Inszenierung.



Das Fazit: Eine der wichtigsten Premieren der Saison ist zum Desaster geworden, nicht ganz unvorhersehbar. Das ist mehr als schade. Wäre da nicht die gelungene Szene, dass Don Giovanni beim Kochen durch einen Herzinfarkt vom Tode ereilt wird, der Abend wäre vollkommen entbehrlich. Da scheint aber für ein paar Takte auf, was sein könnte: plausibles, stimmiges Musiktheater, welches mit einer gelungen Umsetzung einer heiklen Szene überrascht. Kwiechien und Esposito singen sich in einen kleinen Rausch hinein, das wirkt bis hinunter in den Graben und dann kommt ganz en passant der Tod. Entgrenzung und Absturz ganz ohne Moral, davon handelt Mozarts Don Giovanni - hoffentlich bald wieder!

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