Seit mit dem Metropol-Theater das Berliner Stammhaus für die Operette geschlossen ist hat macht es sich die Komische Oper zur Aufgabe, dieses Genre zu pflegen. Die aktuelle Produktion in dieser Reihe ist „Der Vetter aus Dingsda“ des Berliner Komponisten Eduard Künneke.
Die junge Regisseurin Cordelia Däuper nimmt das Stück sehr ernst und gerät schon mit ihrer Grundentscheidung auf eine falsche Fährte. Die pathologische, aber dennoch unbedarfte Schwärmerei eines Landmädchens für einen nach Batavia entschwundenen Jugendfreund mit dem heutigen Bollywood-Starkult zu kontrastieren, hat nur kurzzeitig Wirkung. Dem Stück hilft es nicht über die Runden. Vielmehr wird mit jedem Filmausschnitt deutlich, woran es der Aufführung fehlt: Form, Stringenz und natürlich auch Opulenz. Das mit ein paar Trashelementen lieblos zusammengestellte Bühnenbild erschöpft sich schon nach kurzer Zeit, ebenso der Witz mit Auf- und Abfahrten der einzelnen Personen. Es marthalert hier ein wenig und konwitschnyt dort ein bisschen, aber alles mehr gewollt, als gekonnt.
Unter Patrick Lange müht sich das Orchester der Komischen Oper durch die eigentlich spritzige und abwechslungsreiche Partitur durchzukommen. Mit einem schlanken flexiblen, eher am Big-Band-Style orientierten Klang – der bei dieser Berliner Operette nahe liegt – hat das nur sehr wenig zu tun. Man kann einen Ohrwurm auch als solchen präsentieren, wenn man seiner Sache sicher ist. Julia Kamenik enttäuscht als Julia de Veert, ihre Stimme trägt nicht dahin, wo die Operette wohnt und auf der Szene erreicht sie nie die unverkrampfte Präsenz, bei der man gern hinsieht. Von Anna Borchers (Hannchen) ist über den Abend nicht sehr viel zu hören. Am wackersten schlägt sich noch Uwe Schönbeck als Josef Kuhbrodt, er hat mit Spielwitz und Tempo viele Lacher auf seiner Seite, konterkariert aber damit eher das Konzept der Inszenierung. An seiner Seite Christiane Oertel im hohen Opernton, der hier auch nicht richitig passt, aber die Idee zur Figur stimmt immerhin. Peter Renz liefert im Rollstuhl tapfer eine Studie des verklemmten Egon von Wildenhagen, der Sänger kann ungleich mehr. Mit Charme und Aplomb stattet Christoph Späth den falschen Roderich aus Batavia aus und mit seinem Auftritt bekommt die Inszenierung endlich auch noch eine Portion Ironie.
Schade, wenn das, was die Komische Oper derzeit als Operette anbietet (Der Vetter aus Dingsda, Das Land des Lächelns, Die Fledermaus) wirklich der Stand der Dinge ist, dann steht es wirklich schlecht um dieses Genre. Dem geneigten Operettenfreund sei deshalb die Reise an die Volksoper Wien, die Dresdner Staatsoperette oder die Musikalische Komödie Leipzig angeraten. Andernorts bemüht man sich mit mehr Idee und mehr Elan um die leichte Muse – die wie alles Einfache recht schwer zu machen ist. (An der Volksoper Wien läuft eine unvergleichlich gelungenere Aufführung von Der Vetter aus Dingsda in der Inszenierung von Olivier Tambosi.)
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