Sonntag, 26. Juli 2009

Drei Karten

Vor einigen Tagen konnte man unter den vermischten Kulturmeldungen lesen, dass der musikalische Leiter des Bolschoi-Theaters Alexander Verdernikow aus Protest gegen die Verzögerungen und Einsparungen bei der Generalsanierung des Moskauer Hauses seinen Rücktritt eingereicht hat. Um so mehr überraschte es, den Namen des Dirigenten am selben Abend auf dem Besetzungszettel der Komischen Oper Berlin zu finden.



Dort dirigierte er die letzte Saisonvorstellung der aktuellen Inszenierung von Tschaikowskis Pique Dame und zwar mit Umsicht und Brillianz, großen Bögen und Sinn fürs Detail. Musikalisch war das einer der besten Abende in der Komischen Oper in der laufenden Saison, was da für ein filigran und dicht gewebter Klangteppich aus dem Orchestergraben wogte, wie der Reichtum der Partitur deutlich wurde und wie engagiert die Musiker bei der Sache waren, das ließ schmerzliche Erinnerungen an den vormaligen musikalischen Leiter Kyrill Petrenko aufkommen. Bei ihm waren solche Abende Alltag. Mit Robert Künzli als Hermann und Elena Semonova als Lisa waren die Hauptrollen gut besetzt, der Rest des umfangreichen Ensembles zeigt sich souverän und prägnant (besonders Mirko Janiska als Jeletski).



Der große Auftritt der Gräfin ist auch ohne Anja Silja ein Ereignis, Eva Gilhofer gurrt und wispert und ist ganz die große Verführerin. An dieser Stelle geht auch das Konzept von Regisseur Thilo Reinhardt bestens auf, die Oper als Psychogramm des unglücklich Liebenden Hermann anzulegen, der erst dann zum Spieler wird. Das ist näher an Tschaikowski und auch an der Puschkinschen Vorlage, als viele andere Interpretationen. Von wenigen Akzenten abgesehen gibt sich die Inszenierung angenehm zurückhaltend, die Geschichte wird durch die vielgestaltige Musik erzählt und vorangetrieben. Die Entscheidung im postsowjetisch angehauchten Einheitsbühnenbild zu spielen ist dabei konsequent, führt aber im Laufe des Abends zu einigen unmotivierten Auf- und Abgängen insbesondere des Chors. Da fehlt dann leider doch die inszenatorische Rafinesse.



Es wird in den Solopartien sehr textverständlich gesungen, in den Ensembles ist kein Wort zu verstehen und man vermisst schmerzlich die lautmalerischen Effekte der russischen Sprache, die für Tschaikowskis Kompostionsstil eigentlich essentiell sind. Noch scheint es ein unverzichtbares Alleinstellungsmerkmal der Komischen Oper zu sein, das gesamte Repertoire in deutscher Sprache zu bringen. Aber eine Inszenierung wie diese Pique Dame würde auch nur durch Musik und Aktion verstehbar sein und das musikalische Erlebnis wäre ungleich kompletter. Nichtsdestotrotz, ein großer, ein schöner Abend!

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