Samstag, 27. November 2010

Dresden ist nicht Oberhausen


Die erste Saison der neuen Intendantin Dr. Ulrike Hessler an der Dresdner Semperoper stellt Frauenfiguren in den Mittelpunkt. Nach einer sehr gelungenen Daphne von Richard Strauss konnte jetzt die zweite Neuproduktion Gisela! oder: Die merk- oder denkwürdigen Wege des Glücks nicht überzeugen. So verschwurbelt der Titel, so unausgegoren kommt der ganze Abend daher. Altmeister Henze hat sein jüngstes Werk sehr knapp gehalten, keine 75 Minuten dauert das Ganze mit ein paar unleugbaren Durchhängern, eine komplette Oper ist das nicht! Sicher, es gibt viele schöne, flirrende, beglückende Momente, so manche hochinteressante und überraschende musikalische Wendung, aber schon dem Libretto geht eigentlich jede dramatische Spannung ab. Irgendwo zwischen Oberhausen und Neapel verlieren sich Hanspeter Schluckebier, Vulkanologe und seine Gisela Geldmeier, Studentin der Kunstgeschichte. Schuld ist natürlich der italienische Fremdenführer Gennaro Esposito. Nun gut, warum nicht! Anfangs nimmt man das noch für ironisch, es ist aber verhältnismäßg ernst gemeint. Spätestens aber, wenn der Italiener anfängt, von seiner Doktorarbeit zu reden, die er im fernen Ruhrpott zu Ende schreiben will, wähnt man sich doch im falschen Film, wenn nicht gar im falschen Jahrhundert. Und irgendwie fragt man sich auch ganz heftig, was diese Oper im Herbst 2010 in der Dresdner Semperoper zu suchen hat. Regisseurin Elisabeth Stöppler müht sich redlich, das verquaste Etwas an den Mann zu bringen, macht allerdings meist zu viel und vom Falschen. Der erfundene Spielort Flughafen entfaltet kaum eine über sich hinaus weisende Wirkung, die Personenführung wirkt ungelenk und über weite Strecken unmusikalisch. Viel Aktion, wenig Inhalt. Vollkommen überfordert erscheint auch die Komödiantentruppe, welche die Handlung irgendwie vorantreiben soll, es aber kaum schafft, eine eigene Bühnenpräsenz zu entwickeln. Immerhin gibt man vor commedia dell arte zu betreiben, zeigt aber nur das, was man in Dresden seit mehreren Jahrzehnten für Pantomime hält. Kaum verständlich ist die Entscheidung für ein solch monumentales Bühnenbild, kaum einmal war bisher das wunderschöne Bühnenportal des Hauses so zugebaut. Dabei hätte gerade die sentimentale, schönheitstrunkene Musik Henzes diesen starken Resonanzrahmen unbedingt gebrauchen können. Auch die umfangreichen Videoeinspielungen zerfasern die Aufführung mehr, als dass sie Klarheit bringen. (Warum machen Sänger eigentlich so etwas immer wieder mit?) Bis zum Ende wird nicht klar, warum dieses Stück überhaupt auf den Spielplan gelangt ist. Trotz dieser Einschränkungen, musikalisch hat der Abend durchaus Klasse, die im Wesentlichen auf das Konto der Protagonisten geht: Nadia Mchantaf singt und spielt die Gisela mit wunderschön geführter Stimme und der richtigen Portion an Liebreiz. Markus Butter als Verlobter ist ihr dabei ein adäquater Partner (In der letzten Dresdner Henze-Premiere L'Upupa konnte er in einer unspektakulär gelungenen Inszenierung zeigen, was für ein präziser und verlässlicher Sängerdarsteller er ist.) Zu gefallen weiß auch Giorgio Beruggi als Gennaro, überraschend prägnant auch der relativ klein besetzte Staatsopernchor und einmal mehr die Dresdner Staatskaplle unter der souveränen Leitung von Erik Nielsen. Alles in allem ein leider entbehrlicher Abend, dem offenbar die Gründlichkeit der Vorbereitung abging. Schade drum, das Werk und das Dresdner Publikum haben besseres verdient! Als nächste Premiere ist Dvoraks Rusalks in der Version von Stefan Herheim geplant, die bereits in Brüssel und Graz zu sehen war.

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