Freitag, 9. Juli 2010

München leuchtet nicht mehr

Die Kulturpolitik des Freistaats Bayern konnte jahrzehntlang als seriös mit Tendenz zur Langeweile eingestuft werden. Damit ist es seit der Amtsübernahme von Kulturminister Heubisch von der FDP vorbei. Auch in München ist es jetzt wie anderswo im Land und seit einer Woche vielleicht noch ein bisschen schlimmer.


Kent Naganos Blick schweift in die Ferne, seine Gedanken jetzt sicher auch...

Nach wochenlangen Spekulationen, vom Minister in mehreren Interviews genährt, gab Kent Nagano, der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper Anfang der Woche entnervt auf und kündigte seinen Rückzug spätestens 2013 an. Dass sein Verhältnis zu Opernintendant Klaus Bachler nicht das beste ist, war bekannt. Nagano respektiert für Ernsthaftigkeit und Engagement, schwächelte immer gerade beim Münchner Kernrepertoire Mozart, Wagner und Strauss. Immerhin hat er das Staatsorchester auf eine neue, solide Muszierweise eingestellt. Gerade bei den Sinfoniekonzerten war das nicht mehr zu überhören. Dass Bachler nun als Sieger aus dem Konflikt hervorgeht heißt nicht, dass es um seine Aufgaben besser steht. Die Bilanz der Neuproduktionen der vergangenen zwei Spielzeiten ist mehr als durchwachsen, der Bedeutung des Hauses angemessene Höhepunkte waren kaum darunter. Unterdessen wird in der interessierten Öffentlichkeit und in der über die Maßen gut informierten Presse fröhlich spekuliert, wie es an der Staatsoper weiter gehen könnte. Immer wieder fällt der Name von Kyrill Petrenko, einem jungen, gleichwohl sehr erfahrenen Operndirigenten mit langjähriger Erfahrung an der Komischen Oper Berlin. Er soll allerdings den nächsten Wagner-Ring in Bayreuth im Sommer 2013 dirigieren, genau dann wenn auch München das Mammut-Werk plant. Beides wird sicher nicht gehen. Angesichts des unsanften Umgangs mit Nagano zögert der ebenfalls feinsinnige Petrenko noch, andere Kandidaten gelten als chancenlos.

Vergleichsweise ruhig läuft es am anderen Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz. Vor Monaten wurde dort Intendant Ulrich Peters ohne Not nicht wieder verlängert und ein Nachfolger ist immer noch nicht in Sicht. Die Situation für das zweite Münchner Haus ist nicht einfach und anstelle wichtiger Strukturentscheidungen wird hier auch wieder nur über Personal gesprochen, wenigstens nicht in der Öffentlichkeit, aber das kann sich auch schnell wieder ändern. Aus Hamburg, Köln oder Berlin war man bisher gewohnt, dass kulturpolitische Diskussionen komplett in der Öffentlichkeit geführt werden. Jetzt gehört auch München dazu und das Sommertheater um den Weggang von Christian Thielemann im vergangenen Jahr war wohl erst der vergleichbar harmlose Auftakt, an dessen Ende alle Beteiligten irgendwie ihr Gesicht wahren konnten. Was jetzt abläuft gehört schon in eine andere Kategorie. Übrigens sind gerade Opernfestspiele...spricht jemand über die Aufführungen?

Links:
Rätselraten um die Nagano-Nachfolge

Brief Naganos an seine Fans
Die Macht des Intendanten

4 Kommentare:

  1. Herr Nagano hat zurecht keine Lust, sich mit bayerischen Provinzpolitikern auseinander- zusetzen, das gilt auch für viele andere Dirigenten in dieser Liga. Wenn Jansons wegen der Saalpleite auch noch geht, dann ist München wirklich nur noch Musikprovinz.

    Armes München...........

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  2. Jede Stadt hat das Opernhaus welches sie verdient und jedes Opernhaus hat den entsprechenden Intendanten den es verdient. Insofern passt in München schon alles, was anderes als Herrn Bachler und sein Programm hat die Stadt und ihr Publikum nicht verdient. Man kann nur jeden jungen Dirigenten, der ernsthaft musikalisch und konzeptionell arbeiten will davor warnen, sich auf diese Institution einzulassen. Geld ist nicht alles!

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  3. Wer erzählt eigentlich diesen Quatsch, dass Nagano weder Mozart noch Wagner noch Strauss dirigieren könne??? Es kann kaum jemand sein, der Nagano dabei schoneinmal live gehört hat ...können eigentlich nur die Thielemann-Verehrer sein, die ständig den breitesten Kitsch brauchen der gegen das Werk gespielt wird.

    Mozart - mag sein.
    Aber Strauss?? Die Salome war aufpeitschend, irrespannend und packend (und wurde mit tosendem Applaus gewürdigt), die Ariadne war von einer Perfektion, dass es einem den Atem stocken ließ, mit jedem Ton perfekt sitzend in einer kammermsuikalischen Qualität die man selten hört.
    Und Wagner????? Der Lohengrin mag etwas unentschlossen gewesen sein (anders als noch in Baden-Baden), aber im Tristan spielte das Orchester abermals in einer Jahrzehnte nicht mehr gehörten Qualität, der Tannhäuser war in seiner Kammermusikalität und Pianokultur berührend und in dieser Form unerhört.

    Es mag sein, dass einem die Interpretationen nicht gefallen, aber einem Dirigenten deshalb die Qualität abzusprechen - dümmer gehts kaum.

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  4. Der Einwurf ist berechtigt, aber nur zum Teil. Kent Nagano hat unzweifelhaft große Verdienste im russischen und französischen Repertoire und es ist erfreulich dass er dies in den nächsten Spielzeiten auch noch mehrfach zeigen wird. (Sollte er so lange durchhalten.) Was Richard Strauss angeht und speziell die Salome hat er aber vor einigen Jahren in Dresden eine katastrophale Premiere an der Semperoper dirigiert. Das fiel nur nicht so richtig auf, weil die Inszenierung von Peter Mussbach noch mehr am Stück vorbei ging. Es gibt ja auch die Anektode des von einem Musiker mit einem Fragezeichen versehene Plakat KENT NAGANO SALOME?

    Allerdings wird dieser veritable Misserfolg auch schon wieder dadurch relativiert, dass Evelyn Herlitzius für ihre Interpretation der Titelrolle immerhin mit dem damals neuen Theaterpreis FAUST ausgezeichnet wurde. Insofern kann es ja so ganz schlecht nicht gewesen sein.

    Vielleicht ist Nagano im Moment wirklich der Richtige am falschen Platz, um ihm muss man sich keine Sorgen machen, eher schon um München, weil die Stadt nach Thielemann einen weiteren hochindividuellen Künstler verliert, welcher die unzweifelhaft vorhandende materielle und künstlerische Substanz zum Glühen bringen kann.

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