Sonntag, 23. Mai 2010

Britischer Impressionismus


Es war vielleicht nicht das spektakulärste, aber auf jeden Fall eines der interessantesten Konzertprogramme der laufenden Saison bei den Münchner Philharmonikern. Die beiden Säulenheiligen der klassischen Musik in England Henry Purcell und Benjamin Britten (Foto) - zwischen denen Jahrhunderte liegen - wurden auf spannende Weise zueinander in Beziehung gesetzt. Zunächst erklingt eine Suite aus Orchesterstücken von Purcell, vom Dirigenten des Abends Andrew Manze zum Teil extra für diese Aufführungen instrumentiert und eingerichtet. Das gelingt dem Orchester subtil und engagiert, in den folgenden Interludes aus Brittens Oper Peter Grimes fehlt dann leider die notwendige letzte Entäußerung und die klangliche Filigranität, es wird wie so oft in München gespielt und nicht musiziert. Schade, denn das beliebte und anspruchsvolle Werk müsste zu den Vorzeigestücken des Orchesters gehören. Dass es funktionieren kann zeigt Brittens Sinfonia da Requiem nach der Pause. Mit Druck und Rafinesse spielen sich die Musiker wirklich in einen Rausch hinein und die Stille nach dem Verklingen der letzten Note wird so ganz unspektakulär zum Höhepunkt des Konzerts. Den Schlusspunkt setzt Brittens Young Persons Guide to the Orchestra, der eine Melodie aus der eingangs gehörten Purcell-Suite immer wieder für die verschiedenen Instrumentengruppen variiert. Das kann man nur mit Spielfreude und einer gehörigen Portion Selbstironie bewältigen (auch angesichts der bräsigen mikrofonverstärkten Präsentation der Sprechertexte durch Konstantin Wecker) und genau das tun die Münchner Philharmoniker und zeigen nebenbei, dass sie technisch durchaus auf hohem Niveau spielen. Dass im Moment nur selten alles zusammen kommt, das mag an den Querelen des Thielemann-Abgangs liegen, aber sicher nicht ausschließlich. Die Möglichkeiten des Orchesters sind in diesem Konzert klar geworden, dass es nicht in der Spitzenklasse spielt allerdings auch. Dennoch Kompliment für ein anspruchsvolles, gelungenes Konzert: Purcell im Zeitalter der historisch informierten Aufführungspraxis mit einem großen Sinfonieorchester aufzuführen, dazu gehört inzwischen Mut (es funktioniert!) und Britten, dieser Meister der Instrumentierung und der Klangentfaltung braucht immer noch eine Lobby. Als einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts spielen seine Werke eine viel zu geringe Rolle in unseren Konzertsälen und Opernhäusern (mehr davon!) Der Dank gebührt wohl auch hochsympathischen und engagierten Dirigenten Andrew Manze, der dieses Programm zuammengestellt hat und den man bald wieder erleben möchte! Ganz Gentleman hält er beim Applaus den FC-Bayern-Schal nach oben, aber um den Hals legt er ihn sich nicht. Das hätte dem FC sicher auch nicht mehr geholfen...

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