Donnerstag, 28. Januar 2010

Meyerbeers beste Oper


Richard Wagners Frühwerk Rienzi bleibt umstrtitten, daran ändert auch die aufwendige Neuproduktion an der Deutschen Oper Berlin nichts. Regisseur Philipp Stölzl macht vieles richtig, er kürzt das sechsstündige Orginal auf die Hälfte und erfindet den verbleibenden Rest quasi neu. Inspieriert von Orwell und Riefenstahl (und leider auch von Bernd Eichingers Der Untergang) erzählt er den Weg des "letzten Tribunen" als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Das funktioniert im Detail sehr präzise und wirkungsvoll (allein die fulminante über Charlie Chaplin noch hinausgehende Eingangssequenz lohnt schon den Abend), viele inhaltliche Fragen bleiben allerdings unbeantwortet. Auf der Suche nach dem Prototypischen gelingen Stölzl sehr schöne, virtuos umgesetzte Bilder - ein wirklich interpretatorischer Zugriff wird aber im Laufe des kurzweiligen Abends nicht so recht deutlich. Als eine der Lieblingsopern Hitlers wurde der Rienzi seit Jahrzehnten gemieden. Es reicht aber nicht aus, diese Tatsache allein zum Konzept zu erheben. Es ist wirklich eine Crux: Darüber hinweg zu gehen traut man sich (noch) nicht, darauf zu fokussieren, das erdrückt das Stück. Konsequent hat man sich hier für den zweiten Weg entschieden. Der Vorhang öffnet sich und wir sind in Hitlers Berghof. Diese starke Eindruck dominiert alles was noch kommen wird und macht es kleiner und unwesentlicher als es nötig wäre. Das ist alles zwar präzise gearbeitet und sehr schön anzusehen und auch wenn Stölzl den Fehler vieler Filmregisseure in der Oper macht, alles gleichermaßen wichtig zu nehmen, so befindet er sich dennoch im Einklang mit dem jungen Wagner, der mit der Musik für den Rienzi vieles will und nur manches erreicht. Hier ist noch alles französische Grand Opera und als solche nimmt sie Dirigent Sebastinan Lang-Lessing auch. Schwelgerische Passagen werden mit Wucht ausgespielt, alles Schroffe, Dissonante tritt dahinter zurück. Torsten Kerl in der Titelrolle ist bemerkenswert präsent, auch in den vielen Livevideos. Stimmlich kommt er gut duch die Mammutpartie, mit ein paar kleinen Unsicherheiten gegen Ende. An seiner Seite Camilla Nylund mit höhensicherem Sopran als Schwester Irene, deren Rolle leider durch die umfangreichen Kürzungen auf ein Minimum reduziert wurde. Den größten Beifall erhält Kate Aldrich in der Hosenrolle des Adriano, den sie mit Engagement und Glaubwürdigkeit darstellt. In der heimlichen Hauptrolle triuphiert wieder einmal der Chor der Deutschen Oper Berlin in einer seiner fordernsten Aufgaben. Trotz gewissen Abstriche ist die Produktion unbedingt auf der Habenseite des Hauses einzuordnen. Die Aufführung sorgte bereits im Vorfeld für reichlich Gesprächsstoff und steht wohl für das, was die scheidende Intendantin Kirsten Harms immer wollte und was ihr doch nie so richtig glückte: modernes, großstädtisches und in gewisser Weise auch junges Musiktheater.

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