Sonntag, 30. August 2009

Das wars - Bilanz der Opernsaion 2008/09

Kurz vor Beginn der neuen Saison soll Gelegenheit sein die abgelaufenden Spielzeit zu erinnern und einzuordnen. Wir nutzen die Gelgenheit noch ein Mal die Höhepunkte der vergangenen Monate noch mal ins Gedächnis zu rufen und vielleicht den einen oder anderen Vorstellungsbesuch anzuregen. Die meisten Aufführungen werden ja weiterhin in den Spielplänen zu finden sein. Kommentare sind übrigens erwünscht.

Unsere Rückschau beginnt im Sommer 2008 in Salzburg.




In der hochspannenden Rusalka - Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito welche das Märchen mit kaltem analytischen Blick und spannungsvoller Figurenzeichnung umsetzt brillierte ein Sängerensemble der Extraklasse: neben Camilla Nylund (Foto) in der Titelrolle waren das Pjotr Beczala als Prinz, Emily Magee als Fremde Fürstin und Birgit Remmert als Hexe Jezibaba. Artifiziell und sensibel gestaltetes Musiktheater mit hoher Wirkungskraft, bei dem keine Wünsche offen blieben. Auch musikalisch nicht, das Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst schwelgte präzise und fulminant in der reichen, dramatischen Partitur.



Ebenfalls ein Höhepunkt im Salzburger Sommer 2008: Herzog Blaubart im Rollstuhl inszeniert durch den Holländer Johann Simons. Mit Falk Struckmann und Michelle deYoung standen zwei stimmlich, wie darstellerisch rollendeckende Protagonisten zur Verfügung. Unter Peter Eötvös liefern die Wiener Philharmoniker ein Musterbeispiel an klanglicher Differenzierung und intellektueller Durchdringung, ein Großteil der dramatischen Spannnung kommt aus dem Orchestergraben, sorgsam akzentuiert durch die Regie und die Bühne des Hamburger Malers Daniel Richter.



An der Oper Leipzig kann man erleben, dass die Frage nach dem Wohl oder Wehe des viel gescholtenen Regietheaters gegenstandslos bleibt. Dietrich Hilsdorf erzählt die Geschichte von Jenufa (im Orginal: Ihre Ziehtochter) als schlüssige Milieustudie. Ein wunderbar disponiertes Ensemble, souveräne Figurenzeichnung und eine durchdachte Konzeption - so einfach ist großes Musiktheater. Wenn am Ende Diane Pilcher als Alte Burya im Rollstuhl resigniert auf die Trümmer ihrer Famile und damit auch ihres Lebens schaut, dann ist das unerhört nahe bei Janacek und zugleich auch Regietheater par excellence. Musikalisch spielt der Abend dort, wo die Oper Leipzig hingehört, in der ersten Liga. Alles in allem: Eine Sternstunde - unbedingt anschauen, die Aufführung bleibt weiterhin im Repertoire!



Die sehr selten gespielte Ägyptische Helena von Richard Strauss kam in einer gelungenen und heftig akklamierten Inszenieurng an der Deutschen Oper Berlin heraus. Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli nimmt das verschachtelte Stück ernst und gewinnt, nicht zuletzt wegen der grandiosen Ricarda Merbeth in der Titelrolle. Die wirft sich mit Vehemenz in eine der schwierigsten Partien des dramatischen Sopranfachs und bewältigt sie mit Bravour! Ein Genuss, wie sicher und souverän sie durch die tückische "zweite Brautnacht" geht. Vergleiche mit der legendären Christel Goltz die in der Presse angestellt wurden sind nicht von der Hand zu weisen. Ebenfalls eine geglückte Besetzung: Laura Aikin als Aithra. Fazit: Viel riskiert und alles gewonnen. Und: Auch die Drehbühne ist nicht out!



Die kulissenselige Inszenierung der Lucia di Lamermoor von Regisseur Filippo Sanjust an der Deutschen Oper Berlin aus dem Jahr 1980 gehört auf jeden Fall ins staubige Repertoirefach. Schon zu ihrer Premiere wollte sie nicht mehr, als nur die Handlung bebildern. Die im Frühjahr diesen Jahres anlässlich der Wiederaufnahme aufgebotene Besetzung ließ diese Zumutung allerdings rasch vergessen. Es war das Sängerfest der Saison in der (in dieser Hinsicht gar nicht so verwöhnten) Stadt! Klar und kernig Mariusz Kwiecien als Enrico mit strahlendem Bariton, Joseph Calleja mit ungefährdeter tenoraler Kraft als Edgardo und schließlich eine Elena Mosuc in Topform mit einer Verkörperung der Titelrolle, die wohl nicht nur im Moment als Maßstäbe setzend gelten kann (auch angesichts der Tatsache, das so unterschiedliche Sängerinnen wie Anna Netrebko und Edita Gruberova die Rolle im Repertoire haben). Riesenjubel, die Deutsche Oper stand Kopf - schön, dass es auch so was immer noch gibt!



Diese Inszenierung feiert schon seit Jahren einen unvergleichlichen Siegeszug über die europäischen Bühnen und gehört ab Herbst auch zum Programm der neuen Intendanz an der Opéra de Paris: Die Tote Stadt von Erich Wolfgang Konrngold in der Inszenierung von Willy Decker. Bei der diesjährigen Wiederaufnahme an der Wiener Staatsoper konnte man erneut erfahren, warum das so ist. Klug und poetisch rehabiltiert sie die Oper als ein Meisterwerk für das Repertoire. Angela Denoke als Marie/Marietta und Klaus Florian Vogt als Paul harmonieren auf beeindruckende Weise sowohl in lyrischen Momenten, wie auch bei wohldosierter Dramatik. Eine Aufführung, deren Wirkung man sich nicht entziehen kann und die immer wieder auf ganzer Linie beeindruckt.



Für ihre Darstellung der Penthesilea in der gleichnamigen Oper von Othmar Schoeck, die seit vorletzter Saison an der Dresdner Semperoper auf dem Spielplan steht, hat sie jetzt den Theaterpreis "Faust" bekommen: Iris Vermillion. Auch bei der letzten Wiederaufnahme erwies sich sich als kongeniale Darstellerin der Kleistschen Extremfigur. Das mit Engagement agierende übrige Ensemble und die von Marc Albrecht zu Höchstleistungen inspirierte Staatskapelle Dresden machen die Inszenierung von Günter Krämer zu einem Glücksfall, zu einem Beweis für die enormen musiktheatralischen Möglichkeiten des modernen Repertoires der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Der Dresdner Aufführung sind noch viele Vorstellungen und ein aufgeschlossenes Publikum zu wünschen.



Zwischenzeitliche kursierte der Name des lettischen Dirigenten Andris Nelsons für die musikalische Leitungsposition an der Deutschen Oper Berlin. Daraus wurde leider nichts, bei der von ihm geleiteten Wiederaufnahme des Eugen Onegin in der Inszenierung aus dem Jahr 1996 von Götz Friedrich Ende April wurde deutlich welch vertane Chance das ist. Selten wurde eine Repertoirevorstellung an diesem Haus mit solchem Engagement, mit solcher Leuchtkraft dirigiert. Das Orchester spielt für diesen Abend in einer anderen Liga also sonst und bereitet den Sängern und dem präzise einstudierten Chor einen Klangteppich der Sonderklasse. Mit Olga Guryakowa (Tatjana), Bo Skovhus (Onegin), Andrej Dunajew (Lenski) und Eva Wolak (Olga) ist ein erlesenes Sängerquartett aufgeboten, welches konzentriert und mit großer Spielfreude agiert. Schön auch das erneute (und letzte?) Wiedersehen mit der "Chefin": Karan Armstrong als würdevoller Larina. Die nicht mehr ganz taufrische Inszenierung erweist sich als reizvolle und tragfähige Annäherung an ein gemeinhin eher unterschätztes Standardwerk.



Es schien zunächst der Theaterskandal des Jahres zu werden, Samson et Dalila an der Oper Köln inszniert von Tilman Knabe. Während der Proben stieg der halbe Chor und ein Teil des Ensembles aus. In der Aufführung dann bleibt nur schwer verständlich warum, denn diese geht wirklich unter die Haut. Der Schönklang der Musik von Camille Saint-Saéns wird kontrastriert durch ein schonungslos dargestelltes Bühnengeschehen, es herrscht Krieg. Das beeindruckt in seiner Radikalität, wird aber vom allabendlichen Fernsehprogramm dennoch in den Schatten gestellt. Die Inszenierung wirkt in ihrer Größe als Ganzes: durch gelungen strukturierte Massenszenen, die beiden Sänger der Hauptpartien Ursula Hesse von den Steinen und Ray Wade jr., das unter Enrico Delamboye mit Kraft und Detailfreude spielende Gürzenich-Orchester und nicht zuletzt durch eine mutig umgesetzte Konzeption.



Das Märchen nicht unbedingt für Kinder aufgeschrieben werden gerät mitunter in Vergessenheit. Bei Hans Werner Henze ist das nicht so, seine poetisch schillernde Oper L'Upupa und der Triumph der Sohnesliebe kam im Juni zur Premiere in der Dresdner Semperoper. Die Regie von Altmeister Nikolaus Lehnhoff holt das Stück nicht näher an uns heran, macht es aber dennoch auf prachtvolle Art wirksam und nachvollziehbar. Subtil und humorvoll geht er mit den zahlreichen musikalischen und szenischen Querverweisen um und kreiert daraus eine neue, eigene Interpretation, die aus sich selbst heraus lebt. Nichts ist zuviel, nichts fehlt. Dazu steht ihm ein wunderbar präpariertes Ensemble und ein wirklungsvolles Bühnenbild von Roland Aeschlimann zur Verfügung und - nicht zu vergessen - eine mit differenziertem Klangbild aufspielende Staatskapelle Dresden. Henze - schon zu Lebzeiten ein Klassiker, jetzt auch wieder an der Elbe!

1 Kommentar:

  1. Tolle Aufführungen! Rusalka gefällt mir am meisten, bin froh dass ich dabei sein konnte.

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