Donnerstag, 2. April 2009

Als wärs das Stück von ihm

Mehr als achtzig Jahre nach der Uraufführung am gleichen Ort kehrte vor einem Jahr Othmar Schoecks Oper "Penthesilea" zurück auf die Bühne der Semperoper. Der Abend wurde ein Triumph bei Presse und Publikum, was nicht zuletzt an der Verkörperung der Titelpartie durch Iris Vermillion lag. Sie wurde mittlerweile für diese Rolle mit dem Theaterpreis "Faust" für die beste Sängerdarsteller-Leistung im Musiktheater ausgezeichnet.


Die Differenz, die ins Verhängnis führt.

Vielleicht sind es ja die großen Musiktheaterwerke aus der ersten Hälfte des 2o. Jahrhunderts, die heute kaum mehr jemand kennt, welche die Rettung sein könnten, für den sich zwischen Repräsentation und Orginalitätssucht zerreibenden Opernbetrieb. Liefern sie doch die großen Geschichten, an denen sich der künstlerische Apparat mit all seinen Möglichkeiten entfalten kann. Der Schweizer Komponist Othmar Schoeck galt als der letzte Romantiker, seine expressiven und zugreifenden Kompositionen vermitteln zwischen Richard Strauss (an dessen ebenfalls in Dresden uraufgeführte "Elektra" seine Oper erinnert) und den sich der Atonalität verschreibenden Avantgardisten der zwanziger Jahre. Ganz der Essenz des Kleistschen Dramas folgend entwickelt er entlang der tödlichen Begegnung der Amazonenkönigin Penthesilea mit dem Krieger Achill ein aus Liebe und Macht gespeistes Panorama der menschlichen Tragödie. In seiner Inszenierung spitzt Regisseur Günter Krämer diesen Konflikt noch zu und findet große, suggestive, in ihrer Einfachheit berückende Bilder - ein Abend mit großer Unerbittlichkeit, der sowohl im Einzelnen, wie auch im Gesamtentwurf nicht loslässt.



Im Mittelpunkt steht Iris Vermillion, eine große, stolze, sichere Penthesilea, die am Ende unerbittlich Rache an sich selber nimmt. Die Leistung der Sängerin rechtfertigt ihren besonderen Erfolg mit der Rolle in jeder Hinsicht. Markus Nieminen gibt den Achill mit großer Natürlichkeit und dramaturgischem Gespür. Er ist weit mehr als nur der Zuspieler seiner Kollegin, beide finden in wunderbaren Momenten von intimer Spannung zueinander, dabei ist nichts Routine, alles Hingabe an den Moment. Mit Disziplin und Engagement sind auch die anderen Solisten im Einsatz. Die Damen des Dresdner Opernchors waren vielleicht noch nie mit einer so ganzheitlich fordernden Aufgabe betraut. Wenn sie den Bericht von Penthesileas tödlicher letzter Begegnung mit Achill knieend an der Rampe unisono flüsternd schreien, dann ist das ein Theatermoment mit archaischer Wirkung, dem sich niemand im Raum entziehen kann.


Liebe + Macht = Untergang

Gerd Albrecht, ein Dirigent der im Laufe seiner langen Karriere unschätzbar viel für die Musik des 20. Jahrhunderts getan hat, ist ein absolut sicherer musikalischer Organisator des Abends, sowohl auf der Bühne, wie auch im Graben, wo die Staatskapelle Dresden souverän mit dem ungewohnten Klangapparat umgeht. Der Librettist ist Heinrich von Kleist - es werden nur Orginalverse aus seinem Drama gesungen und gesprochen. Alles fügt sich auf gelungene Weise zusammen. Auch wenn man den Text und die Oper schon kennt, kann man sich der unmittelbaren Wirkung nicht entziehen. Musiktheater mit einer Wirksamkeit, die dem heutigen Opernbetrieb schon lange abhanden gekommen ist. Wenn sich Iris Vermillion nach dem Schlussakkord ganz langsam in den aufbrausenden Applaus erhebt und nur mühsam aus der Rolle heraus findet ist sie für einen Moment vollkommen außer sich. Sie ist schon nicht mehr die Penthesilea, aber auch nocht nicht nur die Sängerin. Dieser Moment von unglaublicher Zartheit ist der konsequente Schlusspunkt für einen Maßstäbe setzenden Theaterabend, an dem man - wenn man das will - den Glauben an die Oper wieder finden konnte.

Die nächsten Vorstellungen in der kommenden Saison: 10./12./16. Februar 2010

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