Samstag, 21. November 2009

Neuer Konzertsaal für Dresden

Wenn Christian Thielemann an seine zukünftige Wirkungsstätte schaut, dürfte ihm eine Sache sehr bekannt vorkommen. In München dreht sich die Diskussion um den Umbau des innerstädtischen Marstalls zum Konzertsaal für das rennomierte Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Das hat keinen eigenen Konzertsaal, sondern spielt an verschiedenen Orten, so auch in der Philharmonie im Gasteig, der Heimstatt der Münchener Philharmoniker, denen Thielemann derzeit noch vorsteht. Doch auch der als akustisch problematisch geltende Gasteig muss nach nur fünfundzwanzig Jahren seines Bestehens grundsätzlich renoviert werden.


Auch Dresden hat neben der Sächsischen Staatskapelle noch ein zweites (städtisches) Orchester von internationaler Bedeutung - die Dresdner Philharmonie, welche ihre Sinfoniekonzerte seit Jahrzehnten im Kulturpalast (Abb.) spielt, einer dafür nicht sonderlich geeigneten Mehrzweckhalle am Dresdner Altmarkt. Ein Bau der seine sozialistische Herkunft kaum verleugnen kann, sich heute dennoch allseitiger Akzeptanz erfreut. Seit Jahrzehnten wird über eine neue eigene Spielstätte für das Orchester diskutiert, ohne Ergebnis. Mit Marek Janowksi hat die Stadt deswegen bereits einen renommierten Chefdirigenten verloren (der inzwischen sein neues Ensemble das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin zu einem herausragenden Klangkörper geformt hat). Auch für die Dresdner Staatskapelle ist die Situation unbefriedigend, sie spielt ihre Sinfoniekonzerte seit langem in der Semperoper, mit allen Nachteilen, die das mit sich bringt. Seitdem sich eine Entscheidung der Stadt Dresden in Richtung eines Einbaus eines adäquaten Konzertsaales in die bauliche Hülle des Kulturpalastes anbahnt, kommt wieder frischer Wind in die langandauernde und mit aller Dresdner Unerbittlichkeit geführten Diskussion, die sich in drei verschiedene Richtungen aufspaltet:


Der Umbau: Einbau in den Kulturpalast


Bei dieser Lösung wird der Kulturpalast komplett entkernt und erhält einen völlig neuen Saal, der viel besser auf die Erfordernisse von klassischer Musik angepasst ist als der jetzige. Die Platzkapazität sinkt um ca. ein Drittel, andere Veranstaltungen sind kaum mehr möglich, auch weil kein zusätzlicher Probensaal vorgesehen ist. Von Seiten der Stadt Dresden wird diese Variante präferiert, weil der Kulturpalast ohnehin generalüberholt werden muss und weil danach auch das städtische Kabarett und die Stadtbibliothek untergebracht werden sollen. Widerstand kommt vor allen von den Veranstaltern von Popkonzerten und der sog. Heiteren Muse, die sich wohl zu recht ausgebootet sehen und zukünftig auf die Neue Messe ausweichen sollen und vom Architekten Wolfgang Häntsch, der sein Urheberrecht am Gebäude durch die radikalen Veränderungen verletzt sieht. Die Staatskapelle hat bereits mitgeteilt, dass sie mit ihren Sinfoniekonzerten nicht in den Kulturpalast umziehen würde.
Fazit: Dresden würde einen Konzertsaal gewinnen, aber eine funktionierende Stadthalle verlieren.

Der Neubau: Konzerthaus am Elbufer


Im Gespräch für eine Neubau einer Dresdner Philharmonie war schon zu Zeiten der DDR die immer noch ungenutzte Brache am Neustädter Elbufer in Höhe des Narrenhäusels, direkt gegenüber der Dresdner Altstadt könnte dort - auch als Gegengewicht zu dieser - ein völlig neues, allen modernen Erfordernissen entsprechendes Konzerthaus mit dezidiert moderner Architektur entstehen. Es wäre das erste Konzerthaus für Dresden und würde nicht nur diese Lücke schließen. Der Kulturpalast könnte dann weiter als multifunkionale Stadthalle genutzt werden und die Stadt wäre um eine touristische Attraktion reicher. Da auch die Staatskapelle das Haus nutzen würde ist ein entsprechendes Engagement seitens des Freistaates an diesem Standort unerlässlich.
Fazit: Dresden bekäme ein Konzerthaus und könnte den Kulturpalast behalten, so wie er ist. Jedes Genre hätte eine ihm entsprechende Spielstätte. Am Neustädter Elbufer würde ein entscheidender städtebaulicher Akzent gesetzt.

Die Alternative: Umbau des Johanneums


Der jüngste Vorschlag ist vielleicht der interessanteste: Umbau des Johanneums am Neumarkt, welches jetzt das Verkehrsmuseum beherbergt, zu einem Konzertsaal mittlerer Größe (Abb. Festspielhaus Luzern). Auch hier könnte der Kulturpalast das bleiben, was er ist und durch die räumliche Nähe wäre die Weiternutzung von Räumen dort durch die Philharmonie denkbar. Größtes Manko: Platz für einen Probensaal bleibt nicht, so dass sich daraus bereits Einschränkungen für die Häufigkeit der Nutzung ergeben. Und auch für das Verkehrsmuseum muss eine zukunftsweisende Lösung gefunden werden, der momentane Zustand ist bis auf die Lage alles andere als ideal. Das sollte aber angesichts der zahlreichen Industriebrachen in Stadt um Umland kein Problem sein.
Fazit: Auch diese Außenseiterlösung hat einigen Charme. Der "Schuhkarton"-Konzertsaal passt von der Dimension und Größe gut nach Dresden, der Neumarkt bekäme endlich eine abendliche Belebung und die Dresdner einen Grund hinzugehen.


Das Thema gewinnt also wieder an Fahrt und es bleibt zu hoffen, dass es nicht endgültig zu einer die Stadt spaltenden Polarisierung kommt, wie im Fall der Waldschlösschenbrücke. Inzwischen hat sich eine Reihe wichtiger Dirigenten für den Neubau eines Konzerthauses ausgesprochen, dazu zählen neben Daniel Barenboim, Kent Nagano auch die eng mit Dresden verbundenen Künstler Herbert Blomstedt, Sir Colin Davis, Kurt Masur, Fabio Luisi und Christian Thielemann. Viel wichtiger für die innerstädtische Diskussion dürfte aber die Aussage pro Konzertsaal von Peter Schreier sein, der sich in den letzten Tagen erstmals zu Wort gemeldet hat. Er ist für einen Neubau und zwar als Dresdner und nicht als Vertreter eines Orchesters. Das ist nicht Luxus, sondern Notwendigkeit. Vielleicht trifft er den Nerv seiner Mitbürger und es gelingt der Stadt eine wirklich zukunftsträchtige Lösung hervorzubringen. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht. Wetten, welcher Konzertsaal dann als erster eröffnet wird, der in München oder der in Dresden, werden angenommen!

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