Dienstag, 30. Juni 2009

Die Reise hört doch niemals auf

Hans Werner Henze wird noch zu Lebzeiten das Schicksal zuteil zum veritablen Klassiker der Moderne deklariert zu werden. Ihn wird das nicht stören, gehört er doch schon lange zu den viel gespielten und viel gerühmten Komponisten seiner Generation. Die Semperoper Dresden hat sich jetzt für eine Neuprouktion seiner märchenhaften Oper L'UPUPPA UND DER TRIUMPH DER SOHNESLIEBE aus dem Jahre 2003 entschieden und es gelang ihr damit ein großer Wurf.



An diese Produktion stimmt einfach alles: Die Staatskapelle Dresden spielt unter dem amerikanischen Dirigenten Stefan Lano so differnziert, klar, klangschön und opulent, dass man nicht mehr aufhören möchte zuzuhören. Henzes wunderbare Musik entfaltet einen Zauber und eine Rafinesse die einen sofort in den Bann zieht und für den Rest des Abends nicht mehr los lässt. Von handwerklicher Meisterschaft und einer lebensweisen Durchdringung von Text und Musik zeugt die Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff, dem vielleicht jüngsten und sicher dem musikalischsten aus dem Kreise der Regie-Altmeister. Er schöpft aus der Fülle und bleibt doch immer klug und absichtsvoll. Hier stimmt jedes Detail, jeder Schritt, jeder sich ändernde Lichtschein, ohne sich selbst zu genügen. Eine Klasse für sich ist das Bühnenbild von Roland Aeschlimann, endlich mal wieder eine Idee - aber konsequent und wirkungsvoll umgesetzt. Auch der gewohnte (und leider oft unangemessene) Ästhetizismus der Kostüme von Andrea Schmitt-Futterer findet hier einen angemessenen Rahmen. Die Aufführung verkörpert wie kaum eine andere im Spielplan der Semperoper ein mit Handwerk und Kunstwillen geschaffenes Musiktheater, bei der das Ergebnis viel größer ist, als das Summe seiner Teile.



Durch das ganze Ensemble hindurch gibt es von höchst erfreulichen Sängerleistungen zu berichten: Artur Korn zeigt mit großer Anteilnahme einen berührenden alten Vater. Den beiden missratenen Brüdern Gharib und Adschib geben Steffen Rösler und Jacek Laszczkowski Kontur und Witz. Mit Spielfreude und heldischem Furor in der Stimme überzeugt Markus Butter als guter Sohn Al Kasim - eine dankbare Aufgabe für den Bariton aus dem Ensemble der Semperoper, die er noch dazu glänzend bewältigt. Dessen Gefährten - den Dämon - verkörpert (wie übrigens schon in der Uraufführung in Salzburg) der formidable John Mark Ainsley, selten sieht man einen Sänger so lustvoll auf der Bühne agieren. Christa Mayer ist ein wunderbar volltönender Sultan Malik im Vollkostüm - das wäre dann aber sicher auch eine schöne Rolle für eine Sängerin im Charakterfach (Was macht Hanna Schwarz gerade?) und Jaques-Greg Belobo gibt den Staatsmann Dijab mit Grandezza und Würde. Mit glockenhellen Spitzentönen stattet Claudia Barainsky ihre Prinzessin Badi'at aus. Alle sind mit bemerkenswerten Einsatz bei der Sache, ohne das es je verbissen oder langatmig wirken würde. Übertitel sind zwar inzwischen Standard, hier werden sie aber kaum benötigt, da bemerkenswert textverständlich gesungen wird. Eine genaue Personenführung und eine stringente Erzählweise sind eben immer noch die besten Voraussetunzung für ein glückendes Verständnis.



Die Upupa ist eine wirklich in jeder Hinsicht reizvolle Aufführung, für Erwachsene sowieso und für Kinder auch. Man darf sich durch das Märchen zunächst ruhig täuschen lassen, es verläuft überraschender als man zunächst glauben mag. Das ist in dieser Oper so, wie im Leben. Eben nicht die vorschnelle moralische Verurteilung bringt uns zur Erkenntnis, sondern der beharrliche Umweg führt zum Ziel. Und es geht immer weiter, ein Ende gibt es nicht, bis jetzt hat es zumindest keiner gefunden. Auch ist in der Oper so wie im Leben. Und wenn das Leben im orientalischen Gewand dieser Henze-Oper ankommt, dann ist auch noch einiges zu erwarten.

Hoffentlich nehmen aber zukünftig mehr Besucher dieses Angebot der Verführung an, als in der besuchten Vorstellung kurz nach der Premiere. Die Lücken im Parkett der Semperoper waren beträchtlich. Eine Stadt die meint, auf den Titel des kulturellen Welterbes verzichten zu können darf nicht den fatalen Schluss ziehen, dass es genügt ein Opernhaus zu haben, in welchem Touristen zu hohen Eintrittspreisen Aufführungen bekannter Stücke vorgesetzt werden. Musiktheater ist keine Besitzstandswahrung, sondern immer auch Gegenstand aktueller Auseinandersetzung mit neuen Stücken. Eine interessierte Öffentlichkeit - wenn sie sich als solche versteht - muss diese Angebote auch annehmen. Wenn das schon bei dieser Henze-Oper nicht funktioniert, dann stimmt das nicht gerade optimistisch und erzählt viel über den Stand des kulturellen Diskurses in der Stadt Dresden.

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